Prof. (FH) Dr. Peter Dietrich
Impulsvortrag auf dem 1. Tiroler Symposium für Qualität im Gesundheitswesen 2024
Kommunikation und Interaktion sind in viel geringerem Maße individuell getrieben, als uns in der Regel bewusst ist. Sie sind vielmehr stark strukturdeterminiert und ritualisiert und ermöglicht uns durch ihre systemische Bedingtheit erst wechselseitiges Verständnis und Verständigung zu erzielen, bei allen Potenzialen von Missverständnissen.
Die Organisation markiert mit ihren konstitutiven Merkmalen der Zwecksetzung, Hierarchie und Mitgliedschaft, den zentralen Kontext und beeinflusst die Selektion von Kommunikation und das Verhalten im professionellen Umfeld. Die Organisation macht dadurch vieles wahrscheinlich, indem sie das meiste unwahrscheinlich macht (Vorzug von wenigen Aktivitäten, vor allen anderen; bei Bedarf rasche Durchsetzung von Vorgaben und Entscheidungen; Trennung von Rolle als Arbeitskraft und Privatperson). Diese Entpersonalisierung“ führt dazu, dass „der ganze Mensch“ zwar formal außen vor bleibt, auf informalem Weg jedoch immer wieder durch die Hintertür hereinspaziert.
Die Fokussierung auf die Rolle als Organisationsmitglied wirkt sowohl entlastend, da sie vor persönlichen Übergriffen schützt und gleichzeitig auch kränkend, wenn zu viele Aspekte der Persönlichkeit ignoriert werden. Im Gesundheitswesen, das überwiegend von intrinsisch motivierten, vom Sinn ihrer Aufgabe erfüllten Akteur:innen geprägt ist, dürfte diese „Entpersonalisierung“ noch einmal stärker durchschlagen als in anderen Bereichen.
So erhält die Entpersonalisierung auf beiden Seiten des Spektrums eine zusätzliche Dimension und wirkt sich situationsspezifisch extremer aus: sowohl beim Wunsch nach Abgrenzung als auch beim Wunsch nach persönlicher Wahrnehmung und Wertschätzung. Dies könnte ein Einflussfaktor darauf sein, dass die Konfliktwahrnehmung stärker auf Personen ausgerichtet ist und als auf strukturellen Komponenten[1].
Umso wichtiger ist daher, neben der laufenden Optimierung der Organisationsstrukturen und Schnittstellen, diesen unmittelbaren Kontext und den Zusammenhang von persönlichem Einsatz und Abgrenzung, immer wieder – wertschätzend – zu thematisieren. Sowie Phasen der formalen wie auch der informalen Kommunikation klar zu markieren.